Totgesagte leben länger
14.11.2022Während die Blätter fallen, blüht die Inflation prächtig auf, nicht nur in der Eurozone. Binnen eines Jahres hat unser Geld fast ein Neuntel an Kaufkraft verloren. Zudem ist der Außenwert des Euro gegenüber dem US-Dollar um weitere 14 Prozent geschrumpft. Was für eine grandiose Leistung der EZB! Solch einen Kaufkraftschwund gab es seit Jahrzehnten nicht. Nun sollen die ersten Zinsanhebungen der EZB in den nächsten Monaten den Spuk eingrenzen, zumindest theoretisch.
Das Inflationsthema ist inzwischen in das Zentrum der Berichterstattung gerückt. Viel Unsinn hört man über Ursachen, Schuldige und Verursacher. Da sind die „Inflationsbekämpfer“ nicht weit. EZB-Direktorin Isabell Schnabel wurde vom Deutschlandfunk so bezeichnet. Ja, diese Frau hat vor einem Jahr noch vor zu wenig Inflation gewarnt. Jetzt aber werden die Bekämpfer der Inflation (die sie selbst mit verursacht haben) mit einem Wumms oder auch Doppelwumms über die Inflation siegen, wie damals der Sozialismus über den Rest der Welt. Vermutlich wird die Dynamik der Inflation in den nächsten Monaten nach oben etwas nachlassen, aber die Kaufkraft, die weg ist, bleibt meist auch weg. Fakt bleibt, dem Geld ist immer weniger zu trauen.
Wer mehr Geld druckt als Waren produziert, bekommt höhere Preise. Das ist eine Binsenweisheit. Geld gedruckt wurde im Namen der Pandemie und von den Regierungen verteilt. Gleichzeitig führten staatlich erzwungene Lockdowns und Einschränkungen zu Problemen in der Produktion und in den Lieferketten. Der Krieg in der Ukraine führte dann zu Sanktionen und damit zu extremen Preissteigerungen im Energiesektor.
Wir erleben Angebotschocks und Gelddruckerei als grausiges Gemisch, was sich über die Preise entlädt. Dann zählt mehr der Sachwert und nicht der Geldwert. Mal schauen, wie die Notenbanken die Zahnpasta zurück in die Tube drücken. Sie müssten ihre überschüssigen Geldmengen „sterilisieren“, also die aufgekauften Anleihen verkaufen. Wenn das nicht zum nächsten Wumms bzw. Rumms am Anleihemarkt führt.
Und das Gold? Neulich hörte ich einen Beitrag in einem bayrischen Nachrichtenradio, wonach Gold als Krisenwährung versagt hätte. Wirklich? Tatsache ist, dass es binnen eines Jahres um acht Prozent teurer wurde. In US-Dollar sieht die Bilanz negativer aus, aber wir rechnen hierzulande (noch) mit dem Euro. Für diese „Kleinigkeiten“ bleibt in den Finanzstuben der Experten wenig Zeit.
Wie geht es weiter? Fragen Sie fünf Experten und sortieren Sie dann die zehn verschiedenen Meinungen. Und genau das ist der Vorteil des Edelmetalls. Dem ist alles egal, sogar, wo es wohnt und wer es besitzt. Es ist nur da, um da zu sein. Viele Leute sagen, dass sie es gekauft haben - in der Hoffnung - es nie zu brauchen, vergleichbar mit einer Berufsunfähigkeits- oder Hausratversicherung. Angesichts der Verwerfungen nicht nur in der Finanzwelt, stellt sich die Frage, ob man vielleicht doch auf diese Art von Versicherung bald schon zugreifen muss.
Im Windschatten des Goldes hat sich das Silber weit besser entwickelt als sein Ruf. Gold ist weltweit akzeptiertes „Geld“, Silber dagegen Geld und Rohstoff. Der technologische Fortschritt führt dazu, dass Silber in immer größeren Mengen verbraucht wird, während der Ausstoß des Metalls begrenzt bleibt. Doch für den Krisenfall, mögen wir den hoffentlich nie erleben, ist Silber ein nützliches „Handgeld“ mal etwas davon in etwas tauschen zu können, wenn ein Verkäufer dann einer Unze statt eines Scheins Vorrang gibt. Aber noch leben wir in einigermaßen ruhigen Zeiten. Wir wissen aus den Krisen der letzten Jahre, dass sich das ganz schnell ändern kann.